Montag, 15. Januar 2007

Ich und die Frikadelle

Die ersten Monate in Kairo waren fuer mich also nicht ganz ohne, zumal ich kaum Kontakt zu meiner Familie und zu Freunden hatte. Zu wenig Zeit bei zu grossem Erklaerungsbedarf fuer all das was geschah. Vor allem musste ich zunaechsteinmal selbst erkennen und definieren, was ueberhaupt vorsich ging.
Dafuer war aber ein wenig Abstand noetig, von dem Alltagsstress. Um auf andere Gedanken zu kommen ging ich sooft wie moeglich raus - mischte mich unter die Leute auf den Strassen - setzte mich an den Nil, schaute Fischern und den bunten Booten zu, die vorbei fuhren und genoss das Unbekannte -Stimmen, Gerausche, Gerueche, Musik... In diesen Momenten war ich froh hier zu sein - in Kairo zu leben - das war auf jeden Fall einzigartig und spannend... aber es war irgendwie bedenklich ... selbst nach 4 Monaten ging ich noch durch die Strassen und alles erschien mir jeden Tag neu, aufregend und spannend, was draussen vorsich ging. Ein schoenes, intensives Gefuehl - aber eben viel zu selten.

Ab September bekam ich Gesellschaft:

Eines nachts war ich in Sherines Auftrag in Zamalek unterwegs um ihr Kopierpapier zu besorgen. Ich rannte ueber die ganze Insel und musste feststellen, dass meine Mission gar nicht so einfach war. Auf meinem Weg wurde ich ploetzlich von Drogenjunkies belagert. Ich ging weiter als ob ich sie gar nicht bemerkt haette. Ein Auto hielt an. Jemand stieg aus. *oh man moehre, was machst du auch nachts allein auf der Strasse* dachte ich mir. Jemand rief mir etwas zu. Ich schloss kurz die Augen und fragte mich, warum in aller Welt sofort der naechste hinter mir her war. "Hej" sagte jemand, der mich eingeholt hatte. "Did these guys bother you? Do you need help?" - Ich entschloss, dass ich keine Hilfe brauchte und jetzt auch lieber nach hause wollte. Obwohl die Person, die mir gegenueberstandt, eigentlich ganz sypatisch und nett aussah... Ich beschloss zu fragen, ob er eine Idee haette woher ich hier nachts Kopierpaper herbekommen koennte. Wir kamen ins Gespraech. Er hiess Ahmed, war Aegypter, studierte im 3. Jahr Architektur und hatte eine Rockband, die bald ein Konzert in Zamalek hatte, fuer das er mir glecih einen VIP-Pass in die Hand drueckte. Er spielte Gitarre und wir machten gleich einen Deal, dass er mir beim Gitarrenkauf helfen wuerde. Wir tauschten Emailadressen aus und wir sahen uns am Tag seines Konzertes wieder. Das Kopierpapier trieb ich auch noch auf in dieser Nacht, indem ich die Vorraete eines Internetcafees aufkaufte.
Nach seinem Konzert begleitete Ahmed mich nach Hause. Wir sassen bis 5 Uhr morgens vor meiner Haustuer und redeten, redeten und redeten. Wir haetten tagelang dasitzen und uns unterhalten koennen, aber eine Stunde spaeter musste ich wieder aufstehen und arbeiten. Es tat echt gut sich auszusprechen und sich ueber alles moegliche zu unterhalten. Es war Soulfood, das ich dringend brauchte in dem Durcheinander das ich gerade durchlebte.
Ahmed und ich hatten unglaublich viel gemeinsam. Obwohl wir unter sehr unterschiedlichen kulturellen Einfluessen aufgewachsen sind, hatten wir mit der Zeit die gleichen Konsequenzen aus unseren Erlebnissen gezogen und eine ganz aehnliche Lebensphilosophie entwickelt. Charakter, Humor, Gedanken, Interessen - alles passte irgendwie perfekt zusammen - Unterschiede fingen bei Dingen wie der Schuhgroesse an... Wir liessen uns viel Zeit uns kennenzulernen. Jemanden wie ihn hatte ich so gar nicht erwartet- das beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit und so erstaunt wir ueber unser Zusammentreffen auch waren umso dankbar waren wir. Er half mir wirklich sehr.
Es reichte schon, dass er zuhoerte und ich in Worte fasste was mir so durch den Kopf ging. Die Gespraeche mit ihm liessen mich ueber meine Situation und meine Erlebnisse besser reflektieren, denn indem ich sie in Worte fasste musste ich alles analysieren, alles wurde konkreter und Loesungen einfacher. Ich schlief also fast gar nicht mehr, weil ich ihn immer traf, wenn ich gerade nicht benoetigt wurde und das war meistens mitten in der Nacht - aber es war gut fuer mich mir die Zeit zu nehmen um ueber alles nachzudenken und zu reden. Mit Ahmed kam ich auch endlich ein wenig in Kairo herum - raus aus Zamalek. Es war ein Perspektivenwechsel und die Moeglichkeit zur Reflektion ueber das Leben, welches ich hier fuehrte. Ahmed erzaehlte mir auch viel von sich und oft konnte ich ihm ebenfalls helfen. Als cih meine Familie in Zamalek verliess habe ich eine Woche bei ihm gewohnt. Wir sind auf Konzerte und Bazare gegangen, haben die Pyramiden besichtigt und waren im Museum. Endlich habe ich Kairo besser kennengelernt und hatte Zeit zum Entspannen. Es hat unheimlich gut getan- die Woche bei ihm und seiner Familie. Und danach gings wieder los fuer mich. Diesmal in Sheikh Zayed.

Es war und ist wirklich toll so jemanden an seiner Seite zu haben.
Er ist genauso verrueckt wie ich, und die meiste Zeit die wir zusammen verbringen wird gelacht. Egal wo ich bin, mit ihm fuehle ich mich auf jeden Fall zu Hause und das behaupten zu koennen ist einfach toll.
Wir sind seit fast 4 Monaten zusammen und ueberlegen uns gerade wie wir schnellst moeglichst Millionaere werden (also groessenwahnsinnig sind wir eigentlich nicht) - denn Fernbeziehungen schocken einfach nicht so... wenn ich die Millionen zusammen habe sag ich euch bescheid ;) wuenscht mir Glueck!

...


Darf ich vorstellen?! Mein aegyptischer Freund Ahmed, auch kufta genannt. (kufta ist arabisch und bedeutet Frikadelle - so wurde er frueher in der Grundschule genannt, weil er wohl etwas dicker war... ich habe diese Idee aufgegriffen und bin hier fortan auch unter dem Namen "Spaghetti-head' bekannt- wegen blonder Haare und so *tse* sowas!!)

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